Marcel Mauss – Die Gabe

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Im Untertitel wird schon etwas deutlicher, um was es in diesem Buch geht: “Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften“. Mauss hat im Rahmen seiner Tätigkeit für die Zeitschrift L’Année Sociologique viele wissenschaftliche Arbeiten rezipiert. Neben den inhaltlichen Impulsen, die in diesem Werk stecken, habe ich durch die Beschäftigung mit Marcel Mauss auch gelernt, dass es nicht nur sich in einzelne Themen vertiefenden Spezialisten, sondern auch Überblick schaffende Generalisten braucht.

Für mich persönlich war dies eine sehr wichtige Erkenntnis, da ich mich lange Zeit als “unstetig” und “unfocussiert” bewertet habe. Seit dem ich meine Fähigkeit als Generalist aus vollem Herzen annehmen kann, ist zum Beispiel dieser Blog erst möglich.

Inhaltlich hat dieses kleine Büchlein zumindest meinen Erkenntnishorizont wesentlich erweitert. Im Folgenden skizziere ich einige zentrale Punkte, so wie ich sie verstanden habe:

  • Der Austausch von Gütern ist keine rein mechanische , sondern eine moralische Transaktion.
  • Zuallererst sind es nicht Individuen, sondern Gemeinschaften, die ihren Austausch organisieren.
  • Der Austausch geschieht in einer eher freiwilligen Form, die dann doch wieder durch moralische, gelebte Traditionen mehr oder weniger streng geregelt ist.
  • Der Unterschied zwischen einem Geschenk und einer Gabe ist, dass eine Gabe immer den starken Impuls in sich trägt, weitergegeben zu werden, und somit eine Reihe von Austauschen generiert. Und dennoch ist es möglich, – unter kulturell bestimmten Umständen – bestimmte Gaben durch Gegengaben auszugleichen.
  • Vor allem die Frage, wann und warum eine Gabe erwidert werden muss, ist für Mauss zentral. Für ihn ist dies in der Hauptsache darin begründet, dass die Sachen und die Menschen nicht voneinander getrennt sind. Mit jeder Gabe wird auch ein Stück der Persönlichkeit gegeben.

Für mich erklären sich aus dem erweiterten Verständnis der Gabe wichtige Defizite unserer, durch eine stark dissoziative Geldkultur geprägten Gesellschaft. Durch die Industrialisierung und Digitalisierung sind wir aus den vielfältig verbundenen Gemeinschaften gerissen und in viele dissozierte Individuen zerstreut worden.