Das Denkgefängnis Geld loslassen!

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Schon seit Tagen befinde ich mich wieder in diesem komischen Zustand … ein kurzer Moment des scheinbaren Durchblicks … und sofort spült die ganze Vielfalt der “Geldverwirrung” meine Klarheit weg und es entsteht so eine Art Schockstarre … Das Thema “GELD” ist so groß und so umfassend, so grundlegend und so überwältigend, dass es mir eben gerade überhaupt nicht gelingt, entspannt zu bleiben.

Selbst wenn ich mich jetzt auf meinen Kernsatz ” auf dem Weg zum Wesentlichen!” konzentriere, gelingt es mir nicht mich für eine bestimmte Richtung zu entscheiden. Ist es heute dran noch weiter zum Verständnis unseres gesellschaftlichen Geldbegriffs zu arbeiten oder gilt es sich eher auf eine gestaltbare Zukunft auszurichten?

An dieser Stelle taucht wieder die Frage auf: Gibt es überhaupt ein ausreichendes Verständnis vom Begriff “GELD”, um sich darüber zu unterhalten? In meiner Wahrnehmung wird dieser Begriff immer wieder in Zusammenhängen benutzt, in denen für mich nicht klar ist, was damit wirklich wirklich gemeint ist.

So wird in vielen Zusammenhänge behauptet, die Geschichte des Geldes sei schon mehrere Tausend Jahre Alt und eben aus unserer Kultur nicht wegzudenken. Ende der Diskussion. Jedwede weitere Äußerung in Richtung “Welt ohne Geld“, “Geldfreier Raum” oder ähnlichen Formulierungen wird teilweise selbst in der “Alternativökonomischen Szene” sofort unterbunden, da eben diese “Welt ohne Geld” für viele immer noch mit dem Zusammenbruch unserer Kultur gleichgesetzt wird.

Dem kann ich mich seit einiger Zeit nicht mehr anschließen. Denn in meiner Wahrnehmung hat sich, das was wir GELD nennen, erst vor ca. 400 Jahren entwickelt. Ich glaube mittlerweile wirklich, dass es in einem Großteil der Geldforschung rückwirkend zu einer Begriffsverwirrung gekommen ist.

Diese Wahrnehmung begleitet mich nun schon eine ganze Zeit und ich bin immer noch unsicher in der Begründung. Ich kann erst mal nur Bruchstücke erkennen und tue mich immer noch sehr schwer diese Begründung, ohne strukturierte Einordnung in das Gesamtbild, auszuformulieren.

Wenn ich jetzt meine perfektionistischen Strukturwahn loslasse, fällt mir als erstes der Begriff “Geld sei Tauschmittel” ein. Da ich ja nun sehr lange im Thema “Tauschring” unterwegs war, kann ich dort auf eine ganze Menge Erfahrung zurückgreifen. Als erstes erscheint es mir wichtig kurz darauf hinzuweisen, das Tauschringe zum Teil trotz Ihrer Behauptung “Geldlos zu tauschen” doch wieder “lokales Geld” geschaffen haben und sich damit im Grunde langfristig auch wieder die “Geldproblematik” in ihre Gemeinschaft geholt haben. Insofern traue ich mir tatsächlich aufgrund der dort gemachten Erfahrungen eine Aussage zum Begriff “Geld sei Tauschmittel” zu.

Vortrag 2009 – Macht tauschen Glücklich? (Den Begriff Ringtausch empfinde ich heute als sachlich falsch!)

Schon in dem kleinen Rahmen eines Tauschringes zeigt sich für mich die nicht nachvollzogene “Evolution” der Definition “Geld sei Tauschmittel”. Zur Zeit der oben präsentierten Folie war der Begriff “Verrechnung” stimmig. Heute würde ich eher von Dokumentation sprechen. Denn genau, wie Geld erst wirklich gilt, wenn es ausgegeben wird, ist eine Verrechnung erst abgeschlossen, wenn der Gegenwert geflossen ist. Und das nur genau in dem Moment. Denn sobald der durch Geld oder Tauschwährung dokumentierte Anspruch befriedigt ist, wird aus dem was da gilt, wieder nur eine Dokumentation und eine Spekulation auf die Zukunft.

Ich bin mir sicher, dass auch unser € schon seit langem kein Tauschmittel mehr ist. Wie Eske Bockelmann in meiner Wahrnehmung herausgearbeitet hat, waren die Lebenszusammenhänge über sehr lange Zeit so organisiert, das zwar Münzen und in früher Vorzeit andere Tauschmittel eingesetzt wurden, diese jedoch bei weitem nicht so volatil waren und es auch noch kein getrenntes Geld-Wert-Bewusstsein gab.

Die genutzten Gegenstände und auch später die Münzen und andere Tauschmittel hatten sehr lange im Bewusstsein der Menschen einen sehr gegenständlichen “Tauschwert”. Da der “Tauschhandel” nur am Rande der Gemeinschaften existierte und meistens auch nur über sehr kurze Distanzen und Zeiträume sinnvoll war, erlebten die Menschen die “Tauschmittel” meiner Meinung nach eher als “Gegenstände” denn als Geld.

Ja, die Übergänge sind fließend und sicher hat es diese begriffliche “Klarheit” im Leben der Menschen nicht gegeben. Ich überzeichne hier aber bewusst um etwas herauszuarbeiten. Ja, es hat dann auch eine Phase gegeben, in der sich ein etwas abstrakteres Verständnis vom Begriff Geld etabliert hat. Dabei erscheint es mir wichtig zu betonen, dass zuerst der Handlungsrahmen erweitert wurde und sich dann der Bedeutungsrahmen des Begriffs unreflektiert erweitert hat. Die sich immer weiter entwickelnden Möglichkeiten Distanzen zu überwinden und auch die technischen Errungenschaften in der Kommunikation haben die Alltagsbedeutung wesentlich mitgestaltet.

Und dennoch gab es da eine sehr lange Zeit in der Geld noch gegolten hat. Das heißt, es war ein Mittel zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und es wurde auf der politischen Ebene eingehegt. Ich bezeichne dieses Geld als GELT. Es galt, wurde und wird ja auch immer noch eingesetzt um unsere arbeitsteilige Gesellschaft zu organisieren. Ich bin mir mittlerweile fast sicher, das viele Menschen nur diese Ebene des Geldes meinen, wenn sie von Geld sprechen.

Bei der Erstellung dieser Visualisierung ist mir etwas klar geworden, dass ich vorher nicht auf dem Schirm hatte:

  1. Die ersten drei Begriffe wollten klein geschrieben werden. Sie sind Handlungen die dem Lebensalltag noch sehr nahe sind. Man könnte sie auch als handwerkliche Ebene des Geldes (es Gilt) beschreiben. Hier wird das GELT noch als Werkzeug benutzt um lebensdienliche Prozesse zu ermöglichen. Hier ist das GELT noch soziale Technik.
  2. Mir reichte es am Ende nicht mehr den Begriff Geld (großgeschrieben) zu nutzen! Mir schwebt schon seit einigen Tagen der Begriff “Geld – Ismus” in meinem Kopf herum. Es drückt für mich deutlicher aus, was Geld mittlerweile ist: Es ist eine eigene GELD – WELT entstanden. In der kann Geld sich mit sich selbst vermehren. Im Geldismus braucht es keinen realen Bezug mehr. Das kann man z.B wunderbar daran erkennen, das das vermeintliche Vermögen von unseren Superreichen sich anscheinend in wenigen Wochen um irreale Größenordnungen erweitert oder auch wieder abschmilzt.

Für mich wird immer klarer, das der Kapitalismus nur der Beginn eine Entwicklung war. Alleine im Laufe meiner Lebensspanne hat sich das im Kapitalismus entstandene Geld verselbstständigt. Es hat sich vom realen Bezug fast vollständig verabschiedet. Der Bitcoin und andere Blockchain – Geldsurrogate z. B. stehen im Grunde mit nichts mehr in Beziehung außer mit Geld. Und ich finde es an der Zeit Dies auch wirklich so zu benennen:

Wir sind schon lange im GELDISMUS angekommen und haben es nur gesamtgesellschaftlich noch nicht bemerkt.

Das wäre an und für sich kein Problem, solange der Staat durch Neuverschuldung immer wieder die Lebenswichtigen Bereiche mit Geld versorgt und auf der andere Seite überschüssiges Geld durch Steuern und andere Abgaben abschöpfen würde. Nur leider türmen sich schon seit längerer Zeit auf einer überstaatlichen Ebene riesige Geld,- und Vermögensberge auf, die auf der nationalstaatlichen Ebene aktuell nicht mehr eingehegt werden können.

Und mit diesen Bergen entsteht auch eine Machtkonzentration die es in der Geschichte der Menschheit wohl noch nie gegeben hat. Und das Gemeine daran ist die Unsichtbarkeit dieser Macht. Sie ist nicht wirklich greifbar, man kann sie nicht sehen. Jedenfalls nicht direkt. Ich selbst bekomme auch erst einen Eindruck von den Verhältnissen, wenn ich mir bestimmte Zusammenhänge visualisiere.

Gelb: Verwaltetes Vermögen 15 Billionen $ / Lila: Bundeshaushalt für 84 Millionen Menschen

Es ist also überhaupt nicht verwunderlich, wenn uns bei der Betrachtung der Situation erst mal schwindelig und unwohl wird. Die Größenordnungen sind so irreal und haben mit unserer Lebenswirklichkeit so absolut nichts mehr zu tun, das es für mich ein Zeichen von Gesundheit ist, dieses Gefühl wahrzunehmen.

Wenn ich jetzt intuitiv diesen Schwindel, diese Bewegung in meinen Körper wahrnehme, dann bewegt sich mein Körper, er scheint noch vorne zu fallen und plötzlich, in tiefer Gewissheit, dass ich nicht fehlgehen kann, entwickelt sich daraus ein evolutionärer Tanzschritt, eine Bewegung in den Raum, der um mich herum existiert.

Ich weiß noch nicht um die nächsten Schritte und trotzdem spüre ich einen Freiraum, den ich nutzen kann. Ich sehe keine Hindernisse und Gefahren, sondern nur andere Menschen, die sich auch achtsam und respektvoll im Raum befinden. Manche sitzen am Rande … andere bewegen sich fast schon schwebend in ihrer eigenen Schönheit durch den Raum … manche fangen an sich gegenseitig zu berühren …

Welcome!

Für alle die jetzt noch nicht in diesem gemeinsamen Raum unterwegs sind und Anknüpfungspunkte suchen, hier eine unvollständige Liste von Menschen, Initiativen und Projekten, die für mich schon das Neue verkörpern:

Menschen

Wildes Sein

Janne – Out of the Box

Dag Schulze – Wirschaft

Reinhard Wiesemann

Tom Müller

Projekte

Wieder Wahrnehmen

Netzwerk Zukunftsorte

Myzelium

CSX

Solidarische Landwirtschaft

Steigerhaus

LeichtR

Mutmacher-Filme

Matsuke

Wirschaft

Commons Institut

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