“Geld” ist wie Wasser!

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In einem Gespräch über das Thema GELD tauchte irgendeines Tages das sprachliche Bild “Geld ist wie Wasser!” auf. Intuitiv spürte ich, dass dieses Bild die vielfältigen Dimensionen meiner Wahrnehmung des Geldbegriffs viel treffender beschrieb als es alle bis dahin gelesenen Betrachtungen taten. Was ist nun daran so treffend für mich?

Der Begriff Wasser ist auf eine Art ähnlich umfassend wie der Begriff GELD. Denn auch Wasser an und für sich gibt es nicht. Obwohl wir alle ein klares kognitives Verständnis vom Begriff Wasser haben, können wir es nie in seiner Gänze, sondern immer nur in einem Aggregatzustand – und damit nur zum Teil – wahrnehmen.

Es gibt eine chemische Formel (H2O) die die grundsätzliche Zusammensetzung dieses Stoffs beschreibt und uns dieses Phänomen auf einer Verstandesebene näherbringt. Doch die wirkliche Alltagserfahrung ist eine andere.

Wir kennen Wasser in den verschiedensten Aggregatzuständen:

  • fest – zum Beispiel als Eis oder Schnee
  • flüssig – zum Beispiel als Trinkwasser, Meerwasser, Badewasser, Regen
  • gasförmig – zum Beispiel als Nebel oder als Wolke

Wir haben als Gesellschaft meistenteils auch einen groben Überblick über die Auswirkungen der Rahmenbedingungen auf die Aggregatzustände. Wir wissen, dass Wasser bei Minusgraden zu Eis wird. Wir wissen auch, dass wir im starken Nebel nicht viel sehen können und zum Beispiel auf der Autobahn tunlichst sofort unsere Geschwindigkeit verringern sollten, um eine Massenkarambolage zu vermeiden. Ebenso wissen wir, dass wir im Meer ohne Schwimmbewegungen oder ohne ein Boot untergehen und ertrinken können.

Und wir haben ein archaisches Bewusstsein, dass Wasser lebenswichtig ist. Wir können ohne Essen bis zu drei Wochen aushalten, ohne Wasser nur wenige Tage. Und wahrscheinlich wegen dieses tiefen Empfindens fühlen wir uns in der Nähe von Wasser wohl. Auch werden Wassergeräusche bewusst als Unterstützung für die Meditation eingesetzt.

Wer jetzt Lust hat dieses beruhigende Gefühl von plätscherndem Wasser zu erleben, der möge sich einen Kopfhörer aufsetzen und diesem intuitive entstandenden meditativen Stück aus meinem Fundus lauschen. Be Quiet!

Ja, und was hat das ganze jetzt mit GELD zu tun. Wasser hat seit Urzeiten seine Form nicht grundlegend verändert, dagegen ist GELD im Verhältnis zur Menschheitsgeschichte noch ein sehr junges Phänomen und unterlag gleichzeitig im Laufe dieser relativ kurzen Zeit einem stetigen Wandel.

Für mich wird heute während des Schreibens deutlich, dass wir als Gesellschaft auch nach mehreren Jahrhunderte Geldgeschichte immer noch kein klares Alltagsbewusstsein von GELD haben. Wir kennen die verschiedenen “Aggregatzustände” des Geldes gar nicht, und haben somit auch keine Vorstellung, welche Ausprägung von GELD welche Auswirkungen auf unsere Gemeinschaft hat.

Es wird spannend sein, wenn ich im Weiteren genauer hinschaue, woran das liegt oder liegen könnte. Dabei werde ich heute die einzelnen Aspekte nur anreißen können. Denn jeder Aspekt braucht sicherlich eine tiefere Betrachtung.

Der erste Aspekt, den ich jetzt sehen kann ist die multipolare Entwicklungsgeschichte des Geldes. Irgendwie habe auch ich in den letzten 25 Jahren immer wieder versucht, das Geld auf eine eindimensionale Entwicklungsgeschichte zu reduzieren. Doch in Wirklichkeit gab es wohl unterschiedlich begründete Ursprungsprozesse, deren Wesenszüge auch heute noch wirksam sind. Je nachdem, mit welchem Hintergrund ich auf GELD schaue, finde ich dann diese Wesenszüge wieder und fühle mich dann natürlich in meiner Analyse bestätigt. Wenn nun alle – das habe ich ja auch fast zwei Jahrzehnte getan – davon ausgehen, dass die anderen den gleichen Zugang haben wie man selbst, sind natürlich die Missverständnisse vorprogrammiert. Auch in diesem Aspekt sehe ich einen Teilgrund für die Wirkungslosigkeit der Bemühungen, das “GELDSYSTEM” zu verändern.

Der zweite Aspekt, der mir wichtig erscheint, ist die fortwährende Veränderung unseres Geldes in seiner Form. Zuerst wurden Alltagsgegenstände als GELD eingesetzt. Irgendwann wurden dann aus den Dingen des täglichen Gebrauchs eigene GELD-Gegenstände: Zuerst Münzen, später dann Papierscheine. Und in unserem Jahrhundert wurde das Geld dann – fast schon plötzlich im Verhältnis zur Gesamtgeschichte – auch noch gegenstandslos. Aus meiner Sicht fällt es uns Menschen sehr schwer, diesen Veränderungsprozess bewusst wahrzunehmen. Denn vor allem die gegenstandslose Dimension des Geldes ist mit unseren Sinnen kaum zu erfahren.

Zwar erleben wir mittlerweile die Auswirkungen des aktuellen Geldsystems körperlich in Form von Stress, Hunger, Wohnungslosigkeit und vor allem der Klimakrise, das Geld an und für sich können wir aber nicht wirklich fühlen.

Der dritte Aspekt ist unsere Problemlösungskultur. Scheitern war in unserer Kultur lange Zeit keine Option, Fehler begehen oder sich eingestehen ein Stigma. In vielen Zusammenhängen wurde und wird auch heute immer noch diskutiert, und die beteiligten Menschen stehen in Konkurrenz zueinander. Wer seine Idee durchsetzen kann, ist der Gewinner. Hier prägt unsere Sozialisierung einerseits den Geldbegriff, und andrerseits prägt der Geldbegriff unsere Sozialisierung. Erst langsam setzen sich gemeinschaftsgetragene Verfahren durch, die die Gruppenintelligenz fördern und für den transformatorischen Prozess nutzen.

Der vierte Aspekt ist unsere nicht vorhandene Geld-Bildung. Die Beschäftigung mit dem Geldbegriff an und für sich ist in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen. In vielen Gesprächen stelle ich immer wieder fest, dass ein Großteil der Menschen in unserer Gesellschaft sich überhaupt nicht mit dem Verständnis des Geldbegriffs beschäftigen und selbst “Profis” im Finanzsektor nicht wirklich beschreiben können, was Geld ist oder wie es sich geschichtlich entwickelt hat. Selbst der grundsätzliche Geldschöpfungsprozess liegt auch für manche Fachleute immer noch weitestgehend im Dunklen.

Der fünfte Aspekt ist die exzsessive Machtkonzentration durch die sogenannte “Kapitalakkumulation”. Die mittlerweile angehäuften “Vermögen” haben sich in eklatanter Weise in ein destruktives Ungleichgewicht verschoben. Aktuell geistert ja die Meldung durch die Medien, dass in Deutschland alleine 11 Milliardäre – die sich der öffentlichen Wahrnehmung durch Klagen entzogen haben – über ein Vermögen vom 500.000.000.000 € (in Worten fünfhundert Milliarden oder fünfhunderttausend Millionen Euro) verfügen. Wenn man dann weiß, dass unser Bundeshaushalt in etwa genauso groß ist, wird die Macht des nur noch scheinbar demokratisch organisierten Staates und vor allem am Ende die Gestaltungsmacht von uns Menschen doch sehr relativiert.

Der sechste Aspekt ist für mich unsere Dissoziation in mehreren Dimensionen. Auch hier sehe ich einen langen Entwicklungsprozess, der uns als Menschengemeinschaft nicht mehr wirklich bewusst ist. Letztendlich hat auch hier die Entwicklung unseres Gelddenkens aus meiner Sicht einen maßgeblichen Einfluss:

  • zuerst haben wir uns von der Natur getrennt und so getan als wenn wir über ihr stünden oder sie beherrschen könnten,
  • dann haben wir uns weitestgehend von Menschengemeinschaften verabschiedet und uns in immer fragmentiertere Lebenszusammenhänge zurückgezogen und fast alles nur noch über GELD geregelt,
  • danach haben wir uns von uns selbst zurückgezogen und nehmen die Welt nur noch durch eine gefilterte Brille wahr,
  • als letztes nehme ich eine vollkommene Trennung von der spirituellen Dimension wahr, die vollkommene Ignoranz des Nicht-sichtbaren, des Gegenstandslosen. Unser Umgang mit dem Leben bezieht sich fast nur noch auf eine mechanistische, kontrollierbare Welt in der WIR der Mittelpunkt sind. Ein Blick in die Sterne würde dies sofort relativieren. Dabei bemerke ich jetzt beim Schreiben: Wahrscheinlich war der Verlust des Wissens um und der Umgang mit dem Mystischen die erste Dissoziation, die die anderen erst möglich machte.

Spätestens seit dem ich das Buch über die Kogi gelesen habe, ist mir bewusst, dass wir nicht auf der Erde Leben und die Natur zivilisieren müssen, sondern dass wir in der Erde leben und mit ihr in einer Lebensgemeinschaft sind. Die faszinierenste Aussage der Kogi ist für mich, dass sie uns wohl schon seit Jahrhunderten beobachten und erst jetzt den Eindruck haben, dass wir “jüngeren Brüder” bereit sind, an ihrem Wissen über diese uralten Zusammenhänge teilzuhaben.


An dieser Stelle hilft mir wieder ein bisschen autistische Denk–Mathematik: Nach dem Schreiben dieses Beitrags sehe ich das Thema “GELD” sozusagen als Denkgleichung mit mindestens 6 Unbekannten – in diesem Fall wohl eher Unbewussten. Dabei kann es durchaus sein, dass sich in der weiteren Beschäftigung noch mehr Aspekte ergeben.

Wer schon mal versucht hat, Gleichungen mit nur drei Unbekannten aufzulösen, kann sofort nachempfinden, das das – zumindest alleine – unmöglich ist. Daher freut es mich sehr, dass in letzter Zeit vermehrt Begriffe wie “Gruppenintelligenz“, “Dialogischer Prozess” und “Emergenz” auf meinem Radar auftauchen und in meiner Wahrnehmung tatsächlich eine neues Bewusstsein spürbar wird.