Neue Narrative braucht das Land

   Lesezeit 8 Minuten

Heute morgen bin ich in einem meiner Inputstreams zum zweiten mal über diese Aussage gestolpert.

Kapitalismuskritik: Warum die Marktwirtschaft zerstört werden muss!

Ich war schon beim ersten Kontakt mit diesem Satz leicht nervös und habe heute das Bedürfnis diese „Nervösität“ tiefer anzuschauen. Ich bin der Meinung, das die strukturelle Gewalt nicht mit Gegengewalt beantwortet werden sollte und in meiner Wahrnehmung auch nicht muss. Ja, die Situation ist ernst und … die pauschale (und für mich schon fast falsche ) Bezeichnung unseres gesamtwirtschaftlichen Rahmens als Marktwirtschaft erlebe ich als Destruktiv und vor allem als Hemmend.

Wir (meine Generation und die noch Älteren) sind in einer Zeit groß geworden, in der die (soziale) Marktwirtschaft die wichtigste Errungenschaft überhaupt gewesen ist. Wenn jetzt also die Marktwirtschaft zerstört werden soll, dann fühle ich mich in meinem Grundfesten angegriffen. Ja ich weiß, das die Entwicklungen gerade brutal sind und ich weiß, das Ihr jungen Menschen euch bedroht fühlt. Gerade deswegen wäre es ja super wichtig, wenn wir Älteren nicht „sprachlich“ so heftig angegriffen werden würden.

Denn in meinem Umfeld – neben jungen Menschen eben auch viele 60 – 90 jährige – wird diese Rhetorik von den wenigsten als „Einladend“ oder notwendig empfunden.

Damit wir uns nicht falsch verstehen:

Ja das was sich aus der Marktwirtschaft im Laufe der letzten Generation – also in den letzten 30 Jahren – entwickelt hat ist destruktiv und spaltend.

Nur ist das keine Marktwirtschaft mehr.

Sicherlich gilt es grundsätzlich die „Marktwirtschaft“ zu verbessern – oder besser: sie der evolutionären Entwicklung unseres Bewusstseins anzupassen –

aber Sie grundlegend zu zerstören, wird nicht funktionieren.

Ich glaube auch, das in Wirklichkeit etwas Anderes gemeint ist. Nur werden die falschen oder mindestens missverständliche Begriffe benutzt. Nun gut. Mir ist daran gelegen diese Missverständnisse aufzuhellen, um damit die Kommunikation zwischen den Generationen zu erleichtern, sie zu fördern und an machen Stellen erst möglich zu machen.

Mehr als die Hälfte unserer Gesellschaft ist mittlerweile über 60. Das ist ein riesiges Wandelpotential. Ich würde gerne daran mitarbeiten dieses Potential zu heben und in den Transformationsprozess einzubinden. Denn diese Menschen haben eine Unmenge an Lebenserfahrung und teilweise auch große finanzielle Möglichkeiten. Solange diesen Menschen aber Angst gemacht wird, das die Marktwirtschaft – und damit in unserem Empfinden auch die Gesellschaft – zerstört wird, muss ich um so fester an meinem „GELD“ festhalten.

Das ist ja das Paradoxon, was GELD auch ausmacht:

Alle Glauben das es funktioniert, also handeln alle danach. Alle Handeln danach, weil Sie glauben das es funktioniert.

Das funktioniert auch andersherum:

Alle haben Angst vor der ungewissen Zukunft also halten Sie Ihr GELD als Sicherheit fest, alle halten Ihr Geld fest und produzieren damit Angst vor der Zukunft.

Für mich gilt es die Strategie grundsätzlich zu ändern. Lass uns neue Narrative erfinden die Lust auf MITMACHEN wecken! Lasst uns Geschichten erzählen von total geilen Projekten, die die Zukunft gestalten und in die es sich lohnt auch GELD zu geben, das eigentlich für die Altersvorsorge gedacht war. Lass uns davon erzählen, wie unsere Zukunft viel einfacher und doch viel mehr voller Freude ist.

Denn in meiner 25 jährigen Tauschringerfahrung habe ich vieles gelernt. Zwei wichtige Dinge möchte ich heute herausheben:

  • Nicht die angehäuften Talente waren das Wichtige, sondern das durch die vielen gemeinsamen Erlebnisse entstandene gegenseitige Vertrauen.
  • Sinnliche Wahrnehmung ist der Antrieb unseres Handelns und nicht fiktives „Wirtschaftswachstum“.

Ich wünsche mir von Herzen den Weg der Freude zu wählen. Statt über nicht funktionierendes zu „Motzen“ könnten wir uns gegenseitig durch freudiges Berichten anstecken lassen.

In dem Sinne möchte jetzt Beispielhaft eine Geschichte erzählen, die 2047 in meiner Straße stattfinden könnte.


Das Leben nach der Inbetriebnahme der Freiheitspumpe

Es ist der 14. Mai 2047 und ich sitze wie so oft auf dem Balkon und lese. Dieses mal in einem Buch über die Geschichte der großen Transformation, die wohl zwischen 2020 und 2030 stattgefunden haben muss. Plötzlich horche ich auf und fange an zu grinsen. Da ist es wieder, dieses Geräusch oder besser diese rhythmische Geräuschkulisse, die mich wunderbar entspannt lesen lässt.

Schschschschschsch …ssssssssssss … Schschschschschsch …ssssssssssss … Schschschschschsch …ssssssssssss … Schschschschschsch …ssssssssssss … Schschschschschsch …ssssssssssss …

Es fällt mir schwer zu beschreiben, was ich höre. Und dennoch spüre ich eine tiefe Berührung in mir. Es ist etwas Archaisches, etwas dass wir Menschen seit Urzeiten tun. Das spüre ich.

Geht auch mit den Schafen weiter unten zusammen! 1 https://www.youtube.com/@GabrielevomKunzenhof

Was ist das was ich da höre? Statt einer Horde von Menschen mit knatternder Motorsensen, jaulenden Laubbläsern und im Formel – Eins Stil durch die Gegend bretternden Aufsitzmähern, die den Beteiligten und allen im Umkreis von 300 m den Nerv rauben und dem Boden oft tiefe Narben zufügen, höre ich eine Gruppe von gemütlichen arbeitenden Menschen die mit Handsensen in einem meditativen Rhythmus die „Siedlungswiesen“ kurz halten.

Zwischendrin kommen andere Menschen zu den überall vorhandenen Sitzgelegenheiten und Tischen und breiten Ihre selbst hergestellten Lebensmittel und Getränke aus. Dann wird gemeinschaftlich gespeist, gequatscht, gelacht und gelebt.


 Das hat eine ganze Menge Vorteile:
        1. Der Lärmpegel wird vom Nervfaktor auf ein menschliches Maß gesenkt.
        2. Es entsteht wahrnehmbare Gemeinschaft im Viertel
        3. Keiner sitzt alleine in seinem „Wohnungskäfig“ und starrt die Rappelkiste oder den Computer an
        4. Die Abstände zwischen diese Aktionen können viel größer sein, da man mit Handsensen auch sehr lange „Wiesen“ problemlos mähen kann
        5. Es könnten Wildblumen und Bienenweiden existieren
        6. Man könnte Heu herstellen
        7. Oder man könnte Schafe weiden lassen

Wer jetzt Bock auf Schafe hat, hier eine kleine Herde. 2 https://www.youtube.com/@oschu1000
Oder doch lieber die ganz große Herde! 3 https://www.youtube.com/@KhPape

Ja, das ist aktuell nicht vorstellbar. Es würde ja die wenigen Arbeitsplätze der „Rasenrennfahrer“ wegrationalisieren. Das ist gewöhnlicherweise der Politikersprech. In Wirklichkeit könnten die „Älteren„, die ihren Lebensbeitrag zur Gemeinschaft schon erfüllt haben, in ihrem Rhythmus und solange arbeiten, wie es gut für sie ist. Die „Jüngeren“ könnten die schweren Arbeiten erledigen, die Dinge zu Ende machen, die sonst liegen bleiben würden und dafür auf ihrem „Gemeinschaftsbeteiligungskonto“ Blümchen oder Herzchen gutgeschrieben bekommen. Solange eben, bis Sie zu den Älteren gehören und nur noch arbeiten, wie es ihnen gut tut.

Ich bin sicher, das es dazu „nur“ einen Bewusstseinswandel braucht und ein paar Jahre des Experimentierens, des Ausprobierens und Fehler zulassens.

Wir hätten bestimmt auch noch ganz andere Effekte:

  • Unsere Siedlungen würden von den Menschen selbst künstlerisch gestaltet  
  • Überall im Viertel entstünden Begegnungsräume -> Draussen und Drinnen
  • Überall gäbe es Fablabs, Ateliers und offene Werkstätten
  • Jedes Viertel hätte sein eigenes Materiallager in dem nicht mehr genutzte Ressourcen gesammelt, repariert, re,- oder upgecycelt wird
  • Viele Siedlungen wären Autofrei
  • Es gäbe Backhäuser in denen gemeinsam Brot, Kuchen und /oder Pizza gebacken würde

Ich höre jetzt mal auf … vielleicht regt Dich ja diese Aufzählung an, selbst die wirklich wirklich wichtigen Dinge fürs Viertel herbeizuvisionieren. Viel Spaß dabei.

Lauenburgstr. 2047

Inspired by K.W. / LuHG 5 Myzelium